LAV Magazin 2022

für ihr Produkt praktisch einen eigenen Bogen zu spannen, also es zu exportieren, Verbraucher dafür zu finden und schlussendlich für ihr Produkt auchGeld zu erhalten, mit dem Ziel, daraus einen bleibenden Kreislauf zu kreieren. Damals gab es Fairtrade noch nicht, aber dieses Projekt haben wir, unter dem Label von Max Havelaar, bereit im Sinne von fairem Handel aufgebaut. Als wenig später tatsächlich Fairtrade institutionalisiert wurde, war für mich ganz klar, dass ich diesen Ansatz weiter unterstützen möchte. Genau genommen besteht darin auch seitdem mein ganzes Wirken. Und heute, wo ich auch die Verbraucherseite vertrete, sei es als Kaffeeröster oder Händler, bin ich stets bemüht, noch mehr Kunden zu gewinnen, die Fairtrade Kaffee kaufen und schätzen. Sie legen großen Wert auf die Fairtrade Initiativen. Wie verstehen Sie die Verantwortung vonunsVerbrauchernhier inEuropa, gegenüber den Menschen, die diese Produkte produzieren? Was können wir tun?Was wünschen Sie sich? Ich würde mir wünschen, dass es mehr Aufklärung gäbe. Reden wir über die deutschen Verbraucher. Generell ist hier der Wille vorhanden, einen Beitrag zu leisten, damit auch andere Menschen besser leben können. Aber ab und zu merkt man, fehlt es noch an Information und die Leute fragen sich, was passiert denn mit diesem "Mehr-Geld", was ich für eine Packung Fairtrade-Kaffee bezahle? Ich glaube fest daran, dass eine Steigerung der Transparenz dazu beitragen kann, dass mehr fair gehandelter und nachhaltig angebauter Kaffee getrunken wird. Und diese Unterstützung kann und wird dann z.B. in Peru oder Boli- vien dazu beitragen, dass man in Schulen oder auch in die Frauenförderung investieren kann. Und dass ist nicht nur in der Theorie so – oder ein altruistischer Gedanke von mir – es ist Realität. Die aktuellen politischen, wirtschaftlichen und auch vor allem die klimatischen Zustände und Entwicklungen in Lateinamerika verändern ja derzeit das Geschäft. Wie genau? Und was denken Sie, wäre der richtigeWeg, damit umzugehen? Im Kaffeegeschäft leiden wir besonders stark unter dem klimatischen Wandel. Die Mikroklimata verändern sich. Ich hoffe, wir sind noch in der Lage und haben noch etwas Zeit, um daran etwas positiv verändern zu können. Schauen wir nach Lateinamerika, genauer nach Mittelame- rika. Dieser Streifen in der Mitte der Amerikas trocknet langsam aus. Das hat auch schon sämtliche Ernten, auch Fruchternten beeinträchtigt. Wir befürchten, dass es in Mittelamerika in 25 Jahren nicht einmal mehr 40% der Anbaufläche von heute geben wird. Es ist dramatisch. Das heißt nicht, dass es nicht regnet. Aber es regnet anders als in den letzten Jahrhunderten: ab und zu, zu viel in zu kurzer Zeit oder zu lange, aber nicht ausreichend. Und das können wir jetzt auch gerade in Brasilien beobachten und vermuten, dass wir dort in eine Trockenzeit hineingeraten. Hier und da regnet es noch im brasilianischen Winter. Aber für die bereits beginnende Sommerzeit besteht die Sorge, dass der Regen fehlen wird. Und das ist ein gravierendes Problem. Noch ist die Schmerzgrenze aber nicht erreicht. Doch ich sehe auf meinen Reisen in die Kaffeegebiete bereits die Auswirkungen der Extremwetterlagen: vertrock- nete Kaffeesträucher – ganze abgestorbene Plantagen, auf denen nichts mehr wachsen wird. Irgendwann werden uns die Lebensmittel fehlen und das werden wir hier in Europa dann auch zu spüren bekommen. Zudem haben wir enorme logistische aber auch Infrastrukturprobleme im Moment. Die weltweite Logistik stimmt hinten und vorn nicht. Ob in denUSA, Großbritannien oder Europa, es fehlt an LKWs und Fahrpersonal, in den USA ist die Hafenlogistik ein zusätzliches Problem. Die Schiffsladungen können nicht schnell genug gelöscht werden und wenn sie es dann sind, fehlt es an Transportmitteln, um die Container an ihre Bestimmungsorte zu bringen. Es gibt sehr viel zu tun in diesem Bereich. Das Problem ist auch in Lateinamerika bekannt. Heute fahren nicht mehr so viele Schiffe die lateinamerikanischen Häfen an wie vor der Pandemie und das bedeutet, es fehlt zum Teil an Containern, sodass die Ware liegen bleibt – zudem haben frische Artikel Priorität. Die klimatisch bedingten Probleme und deren Auswirkungen scheinen heute bei den meisten Menschen aber immer noch nicht angekommen zu sein. Es mangelt noch immer an Aktionen. Es gibt natürlich viele einzelne Initiativen, aber es fehlt eine globale Anstrengung. Und in diesem Zusammenhang sei gesagt, es ist zwar schön, wenn die deutsche Regierung betont, sie sei die grünste Regierung Europas; aber das hilft nichts, wenn sie die einzige bleibt. Es bedarf der Anstrengung aller, und vor allem der großer Länder. Doch davon spürt man im Moment nicht viel. Von Ländern wie China, Russland, der Türkei, den USA oder Indien vernimmt man kaum Stellungnahmen dazu. Kanada ist schon ein wenig weiter. Wie stehen Sie zu demdeutschen und dem zu erwartenden europäischen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz? Nun, das ist eine schwierige Frage. Ich möchte betonen, dass mein Besprechung mit indigenen Kaffeebauern des Kogi Stammes aus der Sierra Nevada de Santa Marta in Kolumbien. Seit ca. 6 Jahren arbeiten wir mit ihnen und über die Zeit hat sich eine schöne Freundschaft entwickelt. 19

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