LAV Magazin 2022

Ich bin zugelassener Rechtsanwalt in Deutschland undBrasilienund lebe seit insgesamt fast 30 Jahren in São Paulo. Ich bin Partner der internationalen Wirtschaftskanzlei Mayer Brown, die in Brasilien in Kooperation mit Tauil & Chequer auch nach brasilianischem Recht berät. Ehrenamtlich bin ich seit 22 Jahren Mitglied des Vorstandes der Deutsch-Brasilianischen Handelskammer in São Paulo und seit 5 Jahren Programm-Botschafter und Mitglied des Auswahlgremiums des Bundeskanzler-Stipendiums für Führungskräfte vonmorgen. Meine Eltern zogen 1979 aus Ulm/Donau kommend berufsbedingt nach São Paulo. Das hat auf mich, als damals 13jährigen, einen nachhaltigen Eindruck gemacht. Von der beschaulichen, mittelalterlichen deutschen Kleinstadt Ulm in die pulsierende, aufregende und abenteuerliche Großstadt São Paulo. Diese Faszination hält bis heute an. Ich kehrte 1999 nach São Paulo zurück, nachdem ich zunächst ab 1985 inMünchen studiert und anschließend in New York, Singapur, Frankfurt und München in internationalen Sozietäten gearbeitet hatte. Der Schwerpunkt meiner beruflichen Tätigkeit liegt auf der Beratung ausländischer Investoren bei Unternehmenskäufen und –verkäufen in Brasilien und der Gründung von Joint Ventures mit brasilianischen Partnern. In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, Mandaten ganzheitlich und im Kontext der brasilianischen Gegebenheiten zu beraten, insbesondere um sicherzustellen, dass Investoren bestehende Unterschiede besser verstehen und einordnen können und nach Erwerb oder Markteintritt keine Überraschungen erleben. Dank meiner jahrzehntelangen Beratungstätigkeit verfüge ich über Erfahrungen, die mir im Zusammenspiel mit meinem tiefen Verständnis der brasilianischen Gegebenheiten helfen, Probleme, Fragen oder Erwartungen zu antizipieren und den Kontext zu liefern, um Verständnis zu fördern und Dr. Christian Roschmann Partner, Tauil & Chequer Advogados (T&C) I Mayer Brown – letztlich – Personen zusammenzubringen und für beide Seiten wirtschaftlich erfolgreiche Investitionen zu ermöglichen. Daher verstehe ichmeine Aufgabe als LAVCommissioner als die eines „Brückenbauers“, auf die ich mich sehr freue und die ich sehr gerne annehme. Brückenbauen geht letztlich nur über Kommunikation, persönliche Kontakte, einen offenen Blick und die Bereitschaft, unterschiedliche Gegebenheiten nicht nur verstehen zu wollen, sondern auch zu akzeptieren und als Chance zu begreifen. „Brasilien ist gegenwärtig politisch „gespalten“, wie viele andere Länder auch. Die politische Diskussion imRahmen der Wahl zum Präsidenten, die am 30. Oktober im zweiten Wahlgang zwischen Lula and Bolsonaro entschieden werden wird, dreht sich in erster Linie um die Vergangenheit und leider weniger um die Pläne der jeweiligen Kandidaten für die Zukunft des Landes. Eine Zukunft, die neben den innenpolitischen und nationalen Themen mehr und mehr auch von der sich ändernden geopolitischenLage beeinflusst wird und die für die deutsche Wirtschaft interessante Perspektiven eröffnet. Festzuhalten ist: Trotz des momentan alles übertönenden Wahlkampfes und aller Probleme und Diskussionen ist und bleibt Brasilien ein demokratischer Rechtsstaat mit einem großen Binnenmarkt und 210 Millionen Konsumenten. In diesem Jahr entwickelten sich – post-Pandemie – die Wirtschaftsdaten überraschend positiv. Derzeit erwartet der Finanzmarkt für das Jahr 2022 einWirtschaftswachstum um 2,7%. Die Inflation ist nachmassiver Erhöhung des Leitzinses der Zentralbank (auf derzeit 13,25%) auf 6% gefallen, mit weiter sinkender Tendenz. Die Arbeitslosenquote sank seit Jahresbeginn um mehr als vier Prozentpunkte auf derzeit 8,9%. Gegenüber demUSDwurde der brasilianische Real seit Jahresbeginn um 24,8% aufgewertet, so stark wie keine andere Währung weltweit. Die Verschuldung des brasilianischen Staates liegt – trotz Corona – bei gegenwärtig (nur) 87% des brasilianischen Bruttosozialprodukts und daher im internationalen Vergleich in einer guten Position. Auch die Entwicklung an der Börse ist mit einer Aufwertung um32% seit Jahresbeginn extrem positiv. Der äußerst erfolgreiche Agrarsektor, Rohstoffe, erneuerbare Energie (84%der brasilianischen Energie wird bereits durch erneuerbare Energie erzeugt –Wasser, Sonne und Wind), grünerWasserstoff, CarbonCredits, Privatisierungen der Flughäfen und Seehäfen, laufende Infrastrukturprojekte und Umweltschutz sind nur einige der Bereiche der vielen Investitionsmöglichkeiten für die deutsche Wirtschaft, die im Rahmen einer erneuerten und globaleren Ausrichtung auf Lateinamerika insgesamt, und Brasilien im Besonderen, verstärkt das Interesse und Augenmerk deutscher Unternehmen hervorrufen. WährendeineWahl vonLulazumPräsidenten im Ausland vermutlich positiver als die Wahl von Bolsonaro aufgenommenwerden würde, sieht die wohl überwiegend Meinung hier imLande zumindest imHinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens unter beiden Kandidaten keine wesentlichen Unterschiede; nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen, fiskalpolitischen und parteipolitischen Notwendigkeiten und Zwänge, denen jeder brasilianische Präsident unter dem neu gewählten Parlament und Senat unterliegt, und die insoweit den Spielraum für einschneidendeMaßnahmen oder überraschende Kursänderungen verkleinern bzw. praktisch ausschließen. Dr. Christian Roschmann Brasilien 31 LAV - Commissioners

RkJQdWJsaXNoZXIy NTM2MTY=