LAV Magazin 2022

Ich bin Dozent an der IAE Business School bei Buenos Aires. Meine Interessen und die akademische Arbeit konzentrieren sich auf Corporate Governance, Compliance sowie die Strategie und Organisation internationaler Unternehmen in Lateinamerika. Ich bin Autor und Mitautor zahlreicher Artikel, Fallstudien, Bücher und Buchkapitel und lehre an Universitäten und Business Schools in Lateinamerika, Europa und den Vereinigten Staaten. Meine akademische Tätigkeit verbinde ich mit der Beratungstätigkeit bei Kleinhempel & Partners, einem von mir gegründeten Beratungsunternehmen, zudem bin ich Mitglied in Aufsichtsorganen und Beiräten. Als Anwalt habe ich in Deutschland und Argentinien gearbeitet und war für Siemens in mehreren Ländern Südamerikas als Leiter und CFO regionaler Organisationen tätig. Nach Jahren vieler geographischer Wechsel zwischen Deutschland und Ländern Südamerikas lebe ich seit 1999 in Buenos Aires und bin dort Honorary Representative der Hansestadt Hamburg (Hamburg Ambassador) in Argentinien. Meine Aufgabe als Commissioner des Lateinamerika Vereins verstehe ich zu einem gutenTeil als Scharnier zwischen zwei nicht immer einfachen Welten mit erheblichen strukturellen und kulturellen Unterschieden. Das heißt konkret, den Mitgliedern des LAV dabei zu helfen, mit Volatilitäten einerseits und strukturiertem Denken andererseits, mit unbekannten Bürokratien und Märkten besser zurecht zu kommen. Damit möchte ich auch einen kleinen Beitrag dazu leisten, die Unternehmen und Menschen aus den beiden Ländern, diemir am Herzen liegen, näher zusammenzubringen. Das lohnt sich für alle. Insbesondere mittelständische und kleine Unternehmen sowie Start-ups können von einer Ausweitung ihrer Geschäftsaktivitäten ins jeweils andere Land auf vielfältige Weise profitieren, stehen dabei aber vor großen Herausforderungen. Der LateinMatthias Kleinhempel LAV-Commissioner Argentinien mkleinhempel@kleinhempel-partners.com amerika Verein und seine Commissioner unterstützen sie hierbei mit ihren lokalen Kenntnissen und Netzwerken. Argentinien: Auf jeden Fall, aber nur mit gutemRisikomanagement. Die veränderte geopolitische Lage seit dem Krieg in der Ukraine hat internationale Unternehmen dazu veranlasst, sich wieder stärker mit den Märkten in Lateinamerika zu befassen. Im Vergleich zu den Risiken in Ländern, die bis vor kurzem noch als "stabil" galten, und den Problemen, die bei den Lieferketten im Osten aufgetreten sind, erscheinen Governance-Fragen in der Region plötzlich nicht mehr so wichtig. Dies ist für Argentinien, der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas, besonders interessant, auch wenn sich das Land - wieder einmal - in einer wirtschaftlichen und vor allem politischen Krise befindet. Aber die Aussichten sind positiv: Ende 2023 stehen Präsidentschaftswahlen an. Die Chancen für einen politisch und wirtschaftlich gesunden Kurs stehen gut. Die Analysten sind sich einig: Lithium, Gas, Landwirtschaft und Talente sind die vier Säulen, auf denen die Wirtschaft des Landes ruht und stark wachsen wird. Die Ausbeutung von weltweit bedeutenden Lithium- und Gasvorkommen hat begonnen. Argentinien ist eines der effizientesten Agrarländer und bedeutender Sojaproduzent. Das Land verfügt über einen beeindruckenden Talentpool in Zukunftsberufen und eine lebendige Start-up-Szene mit 12 "Einhörnern". Erstaunlich für ein Land mit beständig hohen Volatilitäten. Aber die Unternehmen und die Menschen haben gelernt, damit umzugehenund selbst die schwersten Krisen erstaunlich schnell zu überwinden. Eine der wenigen Gewissheiten in Argentinien ist, dass die nächste Krise kommen wird. In Argentinien erfolgreiche Firmen zeichnen sich durch ein angemessenes, auf dieses Land zugeschnittenes Risikomanagement aus. Einige wissen, wie man das macht und haben nachhaltig Erfolg, andere können es nicht (oder wollen es nicht mehr) und verlassen das Land. In der Regel bereuen sie es ein paar Jahre später. Entscheidend ist die Fähigkeit, die kommenden Ereignisse nüchtern zu antizipieren und vorausschauend Abfederungsmaßnahmen zu erarbeiten. Hierfür ist ein Risikomanagementmodell mit Fokus auf die möglichen Ursachen der verschiedenen Risiken unerlässlich. Ein typisches Beispiel: Eines der Merkmale Argentiniens sind (zu) hohe Staatsausgaben. Die Folge sind endemische Inflation und der Abwertungsdruck auf die Landeswährung. Da keine Regierung diese beiden Nebenwirkungen akzeptieren mag, es aber auch an der Bereitschaft (oder der Fähigkeit) zur Senkung der Staatsausgaben fehlt, leidet die argentinische Wirtschaft unter allen möglichen verzerrenden Eingriffen. Hierzu gehören kreative Eingriffe in den Devisenmarkt und Druck auf die Wertschöpfungsketten, nicht die Preise zu erhöhen, obwohl in Wirklichkeit nicht die Preise steigen, sondern der Wert des argentinischen Peso sinkt. Es ist von entscheidender Bedeutung, diese Phänomene zu verstehen, um erfolgreich arbeiten zu können, da sie von den traditionellen Annahmen der Wirtschaftslehrbücher und Managementhandbücher abweichen. Mit anderen Worten: Argentinien ist ein wirtschaftlich sehr attraktives Land, aber man muss sich auf bestimmte typische Risiken einstellen. Matthias Kleinhempel Argentinien 34 LAV - Commissioners

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