Am zweiten Konferenztag haben Yoselyn Malamud, CEO von Grupo Viru, Augusto Bauer, CEO von AJEGroup und Dr. Alexander Zahm, Managing Director, Eurofins, Dr. Specht Express Testing & Inspection GmbH jeweils 3 Keynotes zum Thema “Food and Beverage Business – eine Branche in Bewegung” gehalten. Zusätzlich wurde auch ein Video von Roberto Aguirre, CEO von Nirsa aus Ecuador, eingeblendet, da er leider selbst nicht am Tag der Konferenz anwesend sein konnte.
Als erstes stellte Yoselyn Malamud, ihr Unternehmen Virú Group vor. Virú ist ein internationaler Lebensmittelkonzern, mit Sitz in Peru, der dank seiner direkt neben den Feldern errichteten Anlagen vertikal integriert ist und Obst und Gemüse höchster Qualität liefert. Das Unternehmen ist in den drei Bereichen Frischprodukte, Tiefkühlprodukte und Konserven tätig und sowohl im B2B- als auch im V2C-Bereich wettbewerbsfähig. Virú ist weltweit führend in der Produktinnovation und -entwicklung. Das Unternehmen baut innovative und gesunde Produkte für die anspruchsvollsten Märkte und Verbraucher der Welt an, verarbeitet, entwickelt und liefert sie. Virú beschäftigt rund 19.000 Mitarbeiter*innen und arbeitet mit über 50 Ländern zusammen. Ihre Devise lautet „vom Feld bis auf den Tisch, weltweit“. Innovation und Nachhaltigkeit sind Teil ihrer Unternehmensstrategie.
Die Geschichte von Virú war von Beginn an eng mit Europa verbunden, erklärte CEO Yoselyn Malamud. Der Kontinent diente dem Unternehmen als Bezugspunkt und Wachstumstreiber. Im Jahr 2024 entfielen 32% des Gesamtumsatzes der Virú-Gruppe auf die Europäische Union, bzw. 47%, wenn man nur die Exporte nach Peru berücksichtigt. Die Verkäufe von Virú verteilen sich auf verschiedene europäische Länder, wobei Deutschland der viertgrößte Absatzmarkt ist. Deutschland zählt zu den wichtigsten und zugleich anspruchsvollsten Märkten, da hier besonders hohe Qualitäts- und Regulierungsanforderungen gelten. In den letzten drei Jahren hat Virú mehr als 20 Millionen Euro in die EU investiert. In Europa ist Virú über mehrere Tochtergesellschaften vertreten: Virú Francia, Virú Ibérica und Virú Italia. Diese Niederlassungen ermöglichen eine direkte Nähe zu den wichtigsten Märkten. In Deutschland bevorzugen Supermärkte, Produkte direkt aus Peru zu importieren, während in Frankreich und Spanien viele Kunden die Ware lieber direkt aus regionalen Lagern abholen. Spanien dient dabei als zentrales europäisches Logistikdrehkreuz des Unternehmens.
Zum Virú’s Produktportfolio gehören Pickles, Saucen und Ready-to-Eat-Produkte sowie frische Erzeugnisse wie Avocado, Spargel und Blaubeeren. Virú ist der größte Hersteller von Konserven und Tiefkühlprodukten in Peru. Zudem ist das Unternehmen der weltweit größte Artischockenproduzent. Neber der wirtschaftlichen Tätigkeit engagiert sich das Unternehmen auch stark im sozialen Bereich.
Als nächstes stellte CEO Roberto Aguirre, das ecuadorianische Unternehmen Nirsa vor, einen der führenden Akteure in der Fischerei- und Meeresfrüchteindustrie Lateinamerikas. Das Unternehmen verarbeitet jährlich rund 450 Tonnen Thunfisch und exportiert seine Produkte in verschiedenen Weltregionen – davon 54% in die Europäische Union und 32% nach Asien. Zum Produktportfolio von Nirsa zählen ganze Garnelen, Thunfisch, Sardinien, sowie Fischöl. Das Unternehmen beschäftigt über 7000 Mitarbeiter*innen und erfüllt die Anforderungen des MSC-Standards (Marine Stewardship Council), der für nachhaltige und verantwortungsvolle Fischerei steht. Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie von Nirsa, sowohl im verantwortungsvollen Umgang mit marinen Ressourcen als auch im sozialen Engagement gegenüber den Mitarbeitenden und lokalen Gemeinschaften.
Anschließend präsentierte CEO Augusto Bauer das peruanische Unternehmen AJEGroup, einer der weltweit führenden Getränkehersteller. Mit 25 Produktionsstätten, zählt AJEGroup heute zum drittgrößten Produzenten von Erfrischungsgetränken weltweit. Gegründet wurde das Familienunternehmen in Ayacucho, Peru, und ist bekannt für Marken wie Cielo und Pulp. Augusto Bauer stellte während seiner Keynote die Frage: „Wie viele Unternehmen sprechen eigentlich über Nachhaltigkeit und wie viele setzen sie wirklich um?“. AJEGroup verfolgt konkrete Maßnahmen wie Recycling von Flaschen, die Reduktion von CO2-Emissionen, den sparsameren Einsatz von Plastik, Energie und Wasser und setzt somit auf das Konzept „Triple Win“, das ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile vereint. Die Nachhaltigkeitsstrategie von AJE basiert auf vier zentralen Säulen: Zirkularität, Nachhaltige Städte, Biodiversität und Dekarbonisierung. Ein besonderes Engagement zeigt AJEGroup in der Zusammenarbeit mit Machu Picchu, dem ersten CO2-neutralen Weltkulturerbe. Das Unternehmen unterstützt Initiativen zur Erhaltung der Artenvielfalt und zur Vermeidung von Entwaldung – allein im vergangenen Jahr investierte AJE über eine Million US-Dollar in entsprechende Projekte. Bauer erinnerte daran, dass in den letzten zehn Jahren bereits 10% der Biodiversität des Amazonas verloren gegangen sind. Mit Innovationen wie dem Getränke „Aguaje“, das aus einer im Amazonas heimischen Frucht hergestellt wird, zeigt AJE zudem, wie nachhaltige Wertschöpfung gemacht werden kann. Abschließend sagte Augusto Bauer das es auch Chancen für AJEGroup in anderen Sektoren wie Textil und Kosmetik gäbe.
Abschließend sprach Dr. Alexander Zahm, Managing Director bei Eurofins Dr. Specht Express Testing & Inspection, der zum Auftakt seiner Keynote, die Teilnehmenden mit der zentralen Leitfrage begrüßte: „Wie verändert sich die Food-&-Beverage-Branche und welche Chancen ergeben sich daraus?“. Und führte weiter mit einer Anekdote und zweiten Frage fort: „Vor ein paar Wochen stand ich in einem Reisfeld in Pakistan. 40 Grad, senkende Sonne – und ein Landwirt, der mich fragte: ‚Wird mein Reis in Europa akzeptiert?‘. Daraufhin führte er fort: „Diese Frage bringt unser Thema auf den Punkt: Märkte sind enger vernetzt, aber komplexer. Handelsabkommen, Nachhaltigkeitsziele und Regulierung entscheiden darüber, ob ein Produkt den Weg vom Feld auf unsere Teller schafft. Genau hier beginnt unsere gemeinsame Verantwortung – und unsere Chance“. Er betonte, dass der internationale Handel sich in einer Phase des tiefgreifenden Wandels befinde: einer „transatlantic trade transformation“, in der Transparenz zur Pflicht wird. Neue ESG-Anforderungen, der EU Green Deal und Strategien wie „Farm-to-Fork“ stellen Unternehmen vor der zentralen Frage: „Wo kommt mein Produkt her und welchen ökologischen Fußabdruck hinterlässt es? Nachhaltigkeit sei heute „kein Nebenprojekt“ mehr, so Zahm: „ESG-Anforderungen bestimmen, wie wir produzieren, verpacken, transportieren“. Neue Lieferkettengesetze fordern heute mehr Transparenz an. Dies bedeutet übersetzt: „Wer seine Lieferkette nicht kennt, verliert Wettbewerbsfähigkeit“.
Die USA und Europa sind zwar zwei der größten Märkte der Welt, ihre Regulierungsstandards unterscheiden sich aber erheblich. Als Beispiel nannte Zahm die Pestizid-Grenzwerte: Während in den USA bestimmte Rückstände zulässig sind, gelten in der EU oftmals strengere Grenzwerte. Dadurch könne ein Produkt auf der einen Seite des Atlantiks rechtmäßig verkauft werden – auf der anderen jedoch nicht vermarktbar sein. Diese Unterschiede führen zwar zu Unsicherheit im Handel, eröffnen jedoch zugleich neue Chancen: Unternehmen, die es schaffen, Dual-Compliance, also die gleichzeitige Erfüllung beider Regelwerke, zu gewährleisten, können beide Märkte bedienen und sich damit einen klaren Wettbewerbsvorteil sichern.
Paneldiskussion:
Das Panel diskutierte aktuelle Entwicklungen der Branche, nachhaltige Lösungen sowie Chancen und Herausforderungen im transatlantischen Handel. Es beschäftigte sich mit den folgenden Fragen: Wie wirken sich das Lieferkettengesetz auf Exporte aus? Und wie finden Innovationen aus Lateinamerika ihren Weg in europäische Lieferketten? Moderiert wurde das Panel von Dr. Marc von Essen, LAV-Young Professionals.
Die erste Frage des Panels richtete sich an Yoselyn Malamud, CEO der Virú Group. Das Unternehmen exportiert in über 50 Länder und übernimmt dabei den gesamten Produktions- und Lieferprozess selbst, von der Herstellung bis zum Kunden. Dadurch entstehen hochkomplexe Lieferketten, die sich je nach Produkt, markt und Kundensegment stark unterscheiden. Auf die Frage, welcher Teil dieser Lieferketten am schwierigsten zu steuern sei, antwortete Malamud, dass Effizienz in allen Prozessen der Schlüssel zum Erfolg sei. Zudem hob Yoselyn Malamud in der Diskussion die Herausforderungen hervor, die mit Innovation in der Lebensmittelbranche verbunden sind. Trotz zahlreicher rechtlicher Vorgaben und hoher Markterwartungen sei es möglich, eine kreative und zukunftsorientierte Denkweise aufrechtzuerhalten, auch noch bevor der erste Container das Werk verlässt. Ein zentraler Punkt sei dabei, dass Virú keine eigene Marke betreibe, sondern die Produkte unter den Marken der Kunden vertreibe. Dies mache den Innovationsprozess besonders komplex und teilweise frustrierend, so Malamud.
Dr. Marc von Essen fuhr die Diskussion mit einer Frage an Augusto Bauer, CEO von AJEGroup fort, und fragte ihn, wie sich ein Unternehmen wie AJEGroup strategisch positioniere. Daraufhin antwortete Bauer, dass das meistverkaufte Produkt der Gruppe Wasser sei, ein vergleichsweise unkompliziertes Segment. Von Essen wies später noch auch auf die Herausforderungen hin, die einige Produkte mit sich bringen: alternative Süßungsmittel aus Peru z.B. hätten Schwierigkeiten, sich in Deutschland zu etablieren, so von Essen. Darüber hinaus, sei Cascara, ein traditionelles Produkt aus Peru, auch kein Produkt, dass so einfach in Deutschland ankomme, da kulturelle und regulatorische Unterschiede die Vermarktung erschweren, erklärte von Essen. Augusto Bauer ging auf die Auswirkungen des Klimawandels, steigender Rohstoffpreise und verschärfter gesetzlicher Vorgaben für Importländer ein. Diese Entwicklungen hätten direkte Konsequenzen für traditionelle Fruchtsäfte, da sie Produktion, Kostenstruktur und Exportbedingungen zunehmend beeinflussen. Die Diskussion verdeutlichte, dass die Internationalisierung von AJEGroup sowohl Chancen als auch komplexe Marktanpassungen erfordert, insbesondere bei innovativen oder kulturell spezifischen Produkten.
Auf dem Panel saß neben Yoselyn Malamud und Augusto Bauer auch Dr. Alexander Zahm, Managing Director von Eurofins Dr. Specht Express Testing & Inspection, einem wissenschaftlich-betriebenes Unternehmen. Anhand von Beispielen aus dem Arbeitsalltag erläuterte er wie entscheidend präzise Analytik im internationalen Lebensmittelhandel sei. Eurofins analysiert Obst, Gemüse, Getreide sowie Fruchtsäfte und Konzentrate, um die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sicherzustellen. Zahm betonte, dass Unterschiede bei Grenzwerten zwischen Ländern häufig entscheidend darüber seien, ob Produkte auf bestimmten Märkten verkauft werden dürfen. Ohne verlässliche Analysen riskieren Exporteure den Verlust ganzer Warenchargen. Unter dem Leitmotiv „Testing for Life“ leistet Eurofins einen entscheidenden Beitrag zur Sicherheit, Qualität und Rückverfolgbarkeit von Produkten – im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher weltweit.
Fazit: Die Lebensmittel- und Getränkebranche befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der Produktion, Handel und Geschäftsmodelle gleichermaßen betrifft. Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, technologische Innovationen und steigenden regulatorische Anforderungen treiben die Dynamik voran. Lateinamerika spielt dabei eine entscheidende Rolle – sowohl als Rohstofflieferant und Exporteur für den europäischen Markt, als auch Impulsgeber für innovative und nachhaltige Geschäftsmodelle.