Im zweiten Forum am ersten Tag des 74. Lateinamerika-Tages in Stuttgart, haben Mariano Bassani, Director und PMO Manager, DREICON S.A., Manfred Böckmann, Managing Director, Wintershall Dea Argentina, Carsten Hasbach, Senior Director Government Affairs, Siemens Energy, und Dr. Micha Zauner, CEO, Deutsche E Metalle AG unter der Moderation von Matthias Kleinhempel, Professor an der IAE Business School und LAV Commissioner Argentinien, zu dem Thema „Southern Cone -Energy transition – The role of the south“ diskutiert.
Der Krieg in der Ukraine, die dadurch entstandene Energiekrise und Lieferkettenprobleme haben Deutschland und Europa zu einem Umdenken in Bezug auf ihre Handelspartner und Energielieferanten gezwungen. Außerdem haben sie sich für einen gerechten globalen Übergang zu kohlenstoffarmen Volkswirtschaften ausgesprochen. In Südamerika könnten diese Geschäftspartner gefunden werden, um dieses Ziel zu erreichen. Vorreiter im Bereich erneuerbare Energien ist klar Brasilien. Allein 63% der gewonnenen Energie des Landes kommt aus Wasserkraft. Aber auch in anderen Ländern Lateinamerikas haben erneuerbare Energien einen immer höheren Stellenwert. Trotzdem sollten herkömmliche Arten der Energiegewinnung nicht außer Acht gelassen werden.
Carsten Hasbach ist der Meinung, dass eine Region die besten Bedingungen für Windenergie auf der Welt haben kann, aber aus unternehmerischer Sicht, wenn das Unternehmen nur mit Windenergie betrieben werden würde, könnte es problematisch werden, wenn der Wind mal ausfällt. Dann könnte das Unternehmen nicht mehr mit ausreichend Energie versorgt werden. Mit anderen Worten: Erneuerbare Energien sind keine verlässlichen Energiequellen. Manfred Böckmann pflichtete ihm dort bei, aus unternehmerischer Perspektive sei die Sicherheit der Energieversorgung am wichtigsten und fügte hinzu, man brauche einen verlässlichen Energierahmen, denn die Regeln und Gesetze ändern sich zu schnell in Argentinien z.B.: „Wir brauchen eine Garantie für Regeln und Gesetze. Natürlich gibt es Anreizprogramme, Green Deal usw. Aber aus Unternehmersicht müssen wir langfristige Bedingungen finden“., so Böckmann. Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass die Technologien, die für erneuerbare Energien genutzt werden, wie zum Beispiel auch bei Solarpaneelen, teilweise mit kritischen rohen Materialien hergestellt werden, so Carsten Hasbach. Dr. Micha Zauner merkte an, dass ein Übergang zu einer Energieversorgung, die zu 100% aus erneuerbaren Energien stamme, nicht von heute auf morgen möglich sei. Ziel solle es sein bisher gesammeltes Wissen aus der Öl- und Gasindustrie auf neue Projekte anzuwenden und diese Industrien so emissionsfrei wie möglich zu gestalten. Im Gassektor ist dies mit einer Verringerung von 60% im Vergleich zu Kohle bereits vorangeschritten.
Im Gespräch über erneuerbare Energien darf eines in Südamerika nicht fehlen: Lithium: Im Lithiumdreieck Argentinien, Bolivien, Chile sind zwei Drittel der weltweiten Lithiumressourcen zu finden. Lithium ist ein Metall, das in der Herstellung von Batterien für Elektroautos genutzt wird. 2022 wurden allein in Argentinien 8 Milliarden Dollar in den Lithiumabbau investiert. So gut wie gar nichts davon kam aus Deutschland. Dr. Micha Zauner ist sich sicher, würde Deutschland jetzt handeln, hätte es im Wettkampf um das Lithium noch eine Chance. Matthias Kleinhempel machte daraufhin auf den sogenannten „Elefanten im Raum“ aufmerksam, nämlich China. Dr. Micha Zauner war der Ansicht, dass es in gewissen Bereichen zu spät wäre, China noch einzuholen und er selbst für eine Firma arbeite, die zu klein wäre, um den Markt irgendwie beeinflussen zu können. Dass der chinesische Weg allerdings auch nicht der richtige Weg ist, da waren sich alle in der Runde einig. Carsten Hasbach meinte, man müsste einen Weg zwischen dem komplizierten europäischen und dem schnellen chinesischen finden. Einfach nur zu kopieren, wäre falsch. Manfred Böckmann fügte hinzu: „Wir müssen einfach schneller und mutiger sein.“ Ähnlich äußerte sich Mariano Bassani. Der chinesische Weg sei nicht der Weg, den Lateinamerika brauche, um sich weiterzuentwickeln. „Sie bilden unsere Leute nicht weiter“. Eines müsse man sich laut Hasbach trotzdem bewusst machen, Lateinamerika ist wichtiger für Europa bzw. Deutschland als umgekehrt.
Abschließend sprach der Vizeminister für KMU des Ministeriums für Industrie und Handel, Paraguay, Gustavo Giménez Fernández, die Schlussworte des Forums. Die Siemens AG, so der Vizeminister, unterhält seit vielen Jahren Geschäftsbeziehungen zum Southern Cone, darunter auch mit Paraguay. Die aktuelle Situation sei eine Chance, die die EU gegenüber Lateinamerika nutzen sollte. Paraguay, fast so groß wie Deutschland, ist nach Brasilien das Land mit dem zweitgrößten Waldbestand. Paraguay engagiert sich seit langem für den Umweltschutz. Seit 2004 gibt es in Paraguay das Gesetz „Zero-Deforestation“, das jeden Landbesitzer mit mehr als 20 Hektar dazu verpflichtet, 25% seines Landes mit einheimischen Wäldern zu bedecken. Außerdem hat das Land seit 2023 ein neues Gesetz zu erneuerbaren Energien. Generell könnte man Paraguay als „Erwachen eines Giganten“ („el resurgir de un gigante“) bezeichnen, so der Vizeminister, ein Land, das eine gute Plattform für Unternehmen biete. Auch der Mercosur sei für Investitionen in der gesamten Region wichtig, so der Vizeminister, und für Paraguay, sei das Abkommen der Schlüssel.